Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften
Geschrieben von: Matthias Busse   
Freitag, den 16. Oktober 2015 um 16:30 Uhr

Rede von Karl Klein MdL am 14.10.2015 im Plenum des Landtags von Baden-Württemberg (es gilt das gesprochene Wort)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, fast 2 Jahre nach der zwischen allen Fraktionen des Landtages erarbeiteten Vereinbarung zur Änderung der Landes- und der Kommunalverfassung legt nun heute die grün-rote Landesregierung mit dem Gesetzentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung ein Maßnahmenbündel vor, - das weit über die interfraktionelle Vereinbarung vom 19.12.2013 hinaus geht und - das zugleich in weiten Teilen gegen den erklärten Willen der kommunalen Landesverbände, der Landräte, der Ober- und Bürgermeister und der Gemeinde- und Ortschaftsräte in diesem Land ist. Dies hat auch die öffentliche Anhörung der kommunalen Landesverbände im Innenausschuss des Landtages in der letzten Woche ergeben. Tenor war, dass die Absenkung der Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide mitgetragen, aber alle weiteren Änderungen abgelehnt und in weiten Teilen als völlig unnötig und als ein massiver Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung bewertet werden. Dies ist auch die Auffassung der CDU-Landtagsfraktion. Dieser Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, entgegen dem Willen der Kommunen in diesem Land, ist bisher einmalig und ein ausgesprochenes Misstrauen gegenüber den kommunalen Entscheidungsträgern.

Sie stoßen heute die Kommunen vor den Kopf, auf die sie in den nächsten Wochen mehr denn je angewiesen sind, um die Anschlussunterbringung für Flüchtlinge und den sozialen Wohnungsbau in diesem Land zu meistern. Eine große Herausforderung, eine große Aufgabe für jede einzelne Kommune, für jeden Ober- und Bürgermeister, für jeden Gemeinde- und Ortschaftsrat. Dabei sollten wir die Kommunen unterstützen und ihre Arbeit nicht zusätzlich belasten und behindern.

Während die Bundesregierung in Verantwortung von Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks das Baugesetzbuch ändert und das Bauen aufgrund der aktuellen Entwicklung erleichtert, wird mit der Ausweitung des Bürgerentscheids auf den Aufstellungsbeschluss in der Bauleitplanung und der Verlängerung der Fristen von 6 Wochen auf 3 Monate an ganz entscheidender Stelle die sowieso schon sehr schwierige Arbeit vor Ort erschwert. Zugleich werden die Beschlüsse möglichen nicht vertretbaren zeitlichen Verzögerungen ausgesetzt. Davor kann man nicht länger die Augen verschließen, sondern muss die Realitäten wie sie nun einmal sind sehen und akzeptieren. Auch, wenn man dies vor ca. 2 Jahren noch etwas mit anderen Augen gesehen und bewertet hat, wobei sich die CDU-Fraktion von Anfang an mit einer solchen Regelung schwer tat. Wenn sie dies dennoch heute beschließen eröffnen sie gegen jeden Einleitungsbeschluss, gegen jeden Änderungsbeschluss zu einem Bebauungsplan die Möglichkeit zu einem Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Und solche Beschlüsse werden in großer Anzahl in den nächsten Wochen zu fassen sein. Dies auch noch ohne Not, denn die Bürgerbeteiligung bleibt auch bei der jetzigen gesetzlichen Regelung nicht außen vor, findet gerade bei der Bauleitplanung mehrfach statt und ist vorbildlich. Das Heft des Handelns bleibt bei den durch freie und demokratische Wahlen hervorgegangenen Gemeinderäten - daran können wir, die CDU-Fraktion, nichts Nachteiliges erkennen.

Und was ist nun mit Ihnen, Herr Ministerpräsident Kretschmann, und mit Ihnen, Herr Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Schmid? Sie fordern von der Bundesregierung ein erleichtertes Bauen und wie immer viel Geld, bringen über die Presse Erleichterungen durch eine Änderung der Landesbauordnung ins Spiel und versprechen den Kommunen, diese beim Bau von Flüchtlingsunterkünften und dem sozialen Wohnungsbau zu unterstützen. Und was machen Sie heute? Genau das Gegenteil. Sie erschweren die Bauleitplanung in nicht zu verantwortender Weise. Bevor sie Versprechungen dieser Art geben, sollten Sie sich aber zuvor mit Ihrem Verkehrsminister Hermann und Frau Staatssekretärin Dr. Splett einigen, die eine Änderung der Landesbauordnung bisher strikt ablehnen. Diese Meinung, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün und Rot, vertrete nicht nur ich als ehemaliger Bürgermeister, sondern das sagen Ihnen ihre eigenen Ober- und Bürgermeister, so z.B. die Oberbürgermeister Salomon (Freiburg), Oberbürgermeister Kurz (Mannheim) oder Oberbürgermeister Gönner (Ulm) sogar öffentlich über die Presse. Ihre Empfehlung ist, die beabsichtigten Änderungen der Kommunalverfassung in die Mottenkiste zu werfen und es bei den bewährten bisherigen Regelungen zu belassen.

Mit den kommunalen Landesverbänden sind wir der Auffassung, dass die beabsichtigten weiteren Änderungen nicht zu einer Stärkung der kommunalen Demokratie führen. So verlässt der Gesetzentwurf das bisher vom Landesgesetzgeber fein austarierte Verhältnis zwischen der Gemeindeverwaltung und dem Bürgermeister mit dem Gemeinderat. Alle sind auf kommunaler Ebene Teil der Exekutive. Zudem erschweren sie mit diesen Änderungen das Finden qualifizierter Bürger für das Ehrenamt als Gemeinde- und Ortschaftsrat. Warum sollte man als Gemeinde- und Ortschaftsrat viele Stunden der Vorbereitung und der intensiven Befassung mit Sachthemen auf sich nehmen, wenn die Entscheidungsbefugnisse immer mehr beschnitten werden?

Im Detail bringen sie nun verpflichtend Regelungen in die Gemeindeordnung ein, die bisher jede Gemeinde bzw. jeder Gemeinderat für seine Gemeinde selbstredend entscheiden konnte. So z.B. über die

- die Bildung von Fraktionen
- Absenkung des Quorums für die Aufnahme eines TOP auf die Sitzung des Gemeinderates
- Absenkung des Quorums und die Einführung eines Fraktionsrechtes
- die verbindlichen Einladungsfristen
- die Bekanntgabe nicht öffentlicher Beschlüsse im Wortlaut
- die Festlegung, ob Fraktionen im Gemeindeblatt berichten dürfen
- die Festlegung, welche Unterlagen für eine Beschlussfassung notwendig sind
- die Regelungen der Kinderbetreuung und die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger
- die Regelungen der Kinder- und Jugendbeteiligung
- etc., etc.

Das werden nun alles gesetzliche Festlegungen, über die bereits jetzt eine Mehrheit des Gemeinderates ganz individuell und selbst entscheiden konnte. Damit werden unnötige Vorgaben gemacht, die Arbeit der Gremien politisiert, anstatt auf die Entscheidungsfähigkeit der kommunalen Hauptorgane zu vertrauen.

Dabei ist es doch gerade die Kommunalpolitik, die seit Jahrzehnten beweist, dass sie sachgerecht, zielorientiert und zukunftsweisend entscheidet. Die Kommunen brauchen nicht ihre grün-rote Ideologie der Besserwisserei. Sie regeln sinnvolle Sachen von alleine und ganz individuell, so wie es auch der gewünschten Vielfalt unseres Landes entspricht.

Eine weitere Regelung schiebt die Landesregierung nun mit der Altersregelung für kommunale Wahlbeamte hinterher. Es braucht, liebe Kolleginnen und Kollegen, keine 2 Altersgrenzen für kommunale Wahlbeamte. Eine für die zulässige Wiederwahl vor dem 65. Lebensjahr und eine Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden mit dem 68. Lebensjahr. Deshalb bringen wir einen Änderungsantrag ein der vorsieht, das zwingende Ausscheiden mit dem 68. Lebensjahr aus dem Gesetz zu nehmen. Damit würde ein Landrat, Ober- und Bürgermeister spätestens mit Ablauf seiner Amtszeit im 73. Lebensjahr aus dem Amt scheiden. Genau diesem Vorschlag schließen sich auch die kommunalen Landesverbände an. Ihre vorgeschlagene Regelung, die Wiederwahlgrenze auf 68 Jahre anzuheben und dann zwingend mit 73 Jahren aus dem Amt zu scheiden, macht keinen Sinn und ist ein durchsichtiger parteiideologisch besetzter Kompromiss. Für den Oberbürgermeister von Stuttgart brauchen sie keine speziellen gesetzlichen Regelungen, das wird nach meiner persönlichen Einschätzung schon der Wähler wieder richten.

Abschließend stelle ich ausdrücklich fest, dass die CDU-Landtagsfraktion die in der interfraktionellen Vereinbarung getroffen Regelungen zur Änderung der Landesverfassung und zur Absenkung der Quoren für Bürgerbegehrungen und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene nach wie vor mit trägt. Alle weitergehenden Einschnitte in die Kommunalverfassung lehnen wir ab, da die Kommunen dies in ihrer kommunalen Selbstverwaltung viel besser und individueller regeln können. Die CDU-Landtagsfraktion vertraut den kommunalen Gremien, wir unterstützen die kommunale Arbeit und erschweren sie nicht. Wir waren und sind Partner der Kommunen – Sie hingegen mit diesem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung zweifellos nicht.